press-schlag: Der FC Bayern München ist wieder mächtig obenauf – so, als sei gar nichts gewesen
Krise, wo ist dein Stachel?
Höhö, hört sie euch nur an, diese Bayern, wie sie schon wieder tönen und sich in die Brust werfen – so, als sei überhaupt nichts gewesen. Krise, wo ist dein Stachel? Absturz? Wir doch nicht! Blamage? Nie gehört! Acht Punkte Vorsprung in der Liga, Weihnachtsmeister, bei Stuttgarts Junghüpfern mit routinierter Nonchalance gewonnen, im Pokalviertelfinale mit besten Chancen gegen Köln – da schwillt der Kamm und die verbalen Bizepse werden angespannt, dass es eine Pracht ist.
„Die Mannschaft hat perfekt gespielt – eigentlich meisterlich“, jubelt Manager Uli Hoeneß die brave Pflichterfüllung am Neckar hoch, und Giovane Elber verspricht im Überschwang neu entdeckter Vereinstreue, dass man in der Rückrunde sogar „ein noch besserer FC Bayern“ sein werde. Auch Oliver Kahn ist anzumerken, wie er sich freut, ab und zu mal wieder eine Hand an den Ball zu bekommen. „Das ist der FC Bayern“, doziert der Kapitän, „die Mannschaft steht kompakt und nutzt ihre Torchancen eiskalt aus.“ Deutlich spürbar die Erleichterung darüber, dass im Zuge der Neudefinition aller Saisonziele sämtliche Flausen vom weißen Ballett, von Schönspielerei und spektakulärer Offensive über Bord geworfen wurden und das eingekehrt ist, was die Münchner traditionell am besten beherrschen: nüchterner Zweckfußball.
Und natürlich wird gewitzelt, dass die Lederhosenschwarte kracht. Seine einzige Sorge sei, dass die Spieler zu viele Weihnachtsgänse vertilgen, ließ Hoeneß wissen, nachdem er zuvor die Boxeinlagen im Training des für die verbliebenen Prämientöpfe viel zu großen Kaders als eine Art Freizeitspaß präsentiert hatte. Ansonsten bastelt er offenbar schon wieder eifrig am alten Traum, den FC Bayern 2006 im nationalen Gewand Weltmeister werden zu lassen. Von Klose über Kuranyi bis Lauth scheint niemand sicher vor Nachstellungen, auch wenn es die beliebt-berüchtigten Millionendarlehen wie bei Kehl oder Deisler möglicherweise nicht mehr gibt.
Oberwasser ist gar kein Ausdruck für die aktuelle Befindlichkeit, auch wenn es einige Mahner gibt: Trainer Hitzfeld, den von seiner Vizekusener Zeit geprägten Ballack und Karl-Heinz Rummenigge, dem der Schock von La Coruña als Einzigem noch deutlich in den Gebeinen zu stecken scheint.
Apropos: Kommende Woche gibt es wieder großen europäischen Fußball. Morgen gastiert Bayer Leverkusen bei Inter Mailand, am Mittwoch empfängt Borussia Dortmund den AC Mailand. Wer war doch gleich Bayern München? MATTI LIESKE
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